ALKOHOL – FRÜHER UND HEUTE
Vor vielen tausenden Jahren wurde Alkohol vermutlich beim Genuss von vergorenen Früchten entdeckt.
In China wurde in der Mittelsteinzeit eine Art von „Bier“ aus Reis, Honig und Früchten hergestellt. Seither hatte Alkohol in den unterschiedlichen Epochen unserer Zeit eine unterschiedliche Bedeutung:
Alkohol als „Genuss- und Nahrungsmittel“
Früher wurde Alkohol nur dann produziert, wenn genügend Lebensmittel vorhanden waren – ansonsten hat man die Früchte lieber gegessen. Manchmal wurde Alkohol von den einfachen Leuten auch als Nahrungsmittelersatz getrunken. Bis in die Neuzeit war es in manchen Berufsgruppen üblich Alkohol als Bestandteil des Lohns (Naturallohn) auszugeben.
Gesundheitliche und soziale Bedenken
Bereits zur Zeit der ÄgypterInnen gab es Kritik an zu häufigem und maßlosem Alkoholkonsum. Für Jugendliche und junge Erwachsene war es verboten Alkohol zu trinken.
Mystik
Die Menschen im Altertum konnten sich nicht erklären, wie der berauschende Effekt entstand. Daher hatten alkoholische Getränke für die Menschen etwas Mystisches an sich. Alkohol wurde häufig zu rituellen oder religiösen Anlässen getrunken.
Trunkenheit als Laster
Die mystischen Trinkanlässe des Altertums entarteten im Mittelalter zu wilden Trinkgelagen. Trunkenheit galt als heidnisches Laster und wurde mitunter stark bestraft. Menschen, die dem Alkohol verfielen (die also abhängig wurden), wurden vom Volk verspottet.
Alkohol statt Wasser
In manchen Gegenden war die Wasserqualität sehr schlecht. Daher gewann die Bedeutung von Alkohol als alltägliches Getränk an Bedeutung. Wer es sich leisten konnte, trank Alkohol. So galten im späten Mittelalter drei bis vier Liter Bier oder Wein pro Tag nicht als übermäßig. Auch Kinder tranken Alkohol. Sie bekamen leichtere Biere mit weniger Alkoholgehalt.
Schnaps als „Heil- und Stärkungsmittel“
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts wurde gebrannter (destillierter) Alkohol nur in Apotheken abgegeben und als teures „Heil- und Stärkungsmittel“ verkauft. Reiche Menschen, die es sich leisten konnten Schnaps zu kaufen, tranken häufiger Schnaps. Bald nahm er einen festen Platz im Alltag ein. Deswegen wurde der Konsum mittels Verboten eingeschränkt (z.B. kein Verkauf an Sonntagen, Konsum nur im eigenen Haus).
Kaffee, Tee, Kakao
Im 17. Jahrhundert wurden neue, gekochte Getränke wie Kaffee, Tee und Kakao bekannt. Somit konnte auch unsauberes Wasser genießbar gemacht werden und der tägliche Alkoholkonsum sank.
Technischer Fortschritt
Aufgrund von besseren technischen Möglichkeiten bei der Herstellung von Schnaps und weil die Ernten immer ertragreicher wurden, wurde gebrannter Alkohol zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einem überaus großen Problem. Viele Menschen griffen aufgrund von schwierigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen zum billigen Schnaps.
Alkoholismus als Krankheit
Die negativen Auswirkungen von Trunkenheit auf die Gesundheit wurden schon länger vermutet. Aber Abhängigkeit und „Trunksucht“ wurden in medizinischen Schriften erst Anfang des 19. Jahrhunderts erwähnt. Der schwedische Arzt Magnus Huss definierte 1849 den Begriff Alkoholismus und beschrieb das Krankheitsbild.
Es entstanden Temperenz- und Abstinenzbewegungen. TemperenzlerInnen setzten sich für mäßigen Alkoholkonsum ein, AbstinenzlerInnen forderten den absoluten Verzicht. Diese beiden Strömungen übten einen großen Einfluss auf die Politik aus und erste Alkoholgesetze wurden erlassen.
Prohibition in den USA
Alkohol wurde in den USA im 19. Jahrhundert maßgeblich für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Missstände verantwortlich gemacht. Die „Anti-Saloon League“ (eine überparteiliche Organisation) setzte sich für einen Stopp der Alkoholproduktion (1917) sowie die Prohibition (1920) ein. Während der Prohibition war es verboten, Alkohol herzustellen und zu verkaufen. Der Konsum war erlaubt. Daher sank die Anzahl der alkoholbedingten Krankheiten drastisch. Nach einiger Zeit nahm der illegale Alkoholhandel jedoch zu, und somit auch der Konsum. Während der Wirtschaftskrise, 1933, wurde das Alkoholverbot wieder aufgehoben. Man wollte gesundheitliche Risiken durch schwarz gebrannten Alkohol reduzieren. Zusätzlich erwartete man sich neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Aufgrund kultureller Unterschiede ist die Einstellung zu Alkoholkonsum von Land zu Land verschieden. Folgende „Alkoholkulturen“ lassen sich unterscheiden:
Abstinenz-Kulturen
In streng islamischen, buddhistischen und hinduistischen Kulturen ist der Konsum von Alkohol generell verboten.
Ambivalenz-Kulturen
In einigen Ländern ist Alkohol zwar erlaubt, aber nicht erwünscht. In diesen Ländern gibt es strenge Gesetze für Alkoholproduktion, –verkauf und –konsum.
Permissiv-Kulturen
In manchen Ländern gilt täglicher Alkoholkonsum zu den Mahlzeiten als normal. Aber Trunkenheit oder Alkoholkonsum in unangebrachten Situationen (wie z.B. vor dem Autofahren) werden negativ bewertet. Der Umgang mit Alkohol in Österreich wird der Permissiv-Kultur zugerechnet.
Permissiv-funktionsgestörte Kulturen
In verschiedenen Ländern wird hoher Alkoholkonsum oder Berauschung eher akzeptiert. Es gibt wenig Verständnis für soziale oder gesundheitliche Folgen.
Oft sind gesellschaftliche Regeln nicht eindeutig zu diesen Alkoholkulturen zuordenbar. Außerdem gibt es häufig Ausnahmesituationen, wie z.B. Bierfeste, Karneval oder Alkoholkonsum in einer Studentenverbindung. Bei solchen Anlässen wird Alkohol in größeren Mengen toleriert.
Aus: Jugendliche und Alkohol, Heft 1: Alkohol in unserer Gesellschaft – früher und heute. Sucht Schweiz, 2011.