Kinderrechte und Tabakkontrolle

Hand mit Arm als Baumstamm, kleinere Handabdrücke als Laub
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Der Anbau von Tabak verursacht massive soziale Folgen, eine Vielzahl von Kinderrechtsverletzungen steht damit in Zusammenhang. Auch Passivrauchen gefährdet das allgemeine Kindeswohl und besonders die Rechte auf Gesundheit, Leben und Entwicklung. Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien sind mehr von Passivrauch betroffen und haben ein höheres Risiko, selbst zu rauchen zu beginnen. Tabakkonzerne tragen dazu bei, indem sie ihre Botschaften gezielt an Kinder und Jugendliche richten und nutzen Influencer*innen für Werbung in den sozialen Medien. Tabakkontrolle ist äußerst wichtig, sie hilft bei der Durchsetzung von Kinderrechten und bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen.3

Tabak und Kinderarbeit
dunkelhäutige Kinderfüße in Sand
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Im Tabakanbau arbeiten weltweit, vor allem in Ländern mit niedrigen Arbeitsstandards, mehr als 17 Millionen Menschen. Viele von ihnen können sich damit nur schwer ihren Lebensunterhalt erarbeiten und müssen ihre eigenen Kinder mithelfen lassen, um genug zum Leben zu verdienen. Dies geht auf Kosten ihrer Bildungschancen und ihrer Gesundheit.
Zum Tabakanbau werden gefährliche Chemikalien verwendet und es mangelt an Schutzkleidung. Deshalb kommt es häufig zu Arbeitsunfällen und Vergiftungen. Der Kontakt mit den Tabakblättern kann die „grüne Tabakkrankheit“ verursachen. Nikotin wird durch die Haut aufgenommen und es kann zu Nikotinvergiftung kommen.3

Die Situation in den Anbauländern

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Im Land Malawi arbeiten circa 78.000 Kinder auf den Tabakplantagen ihrer Familien. Aber nicht nur dort, sondern auch in Brasilien, Indonesien, den USA und anderen Tabakanbauländern ist Kinderarbeit weit verbreitet.1
Die Besitzer*innen der Plantagen in Malawi verpachten ein Stück Land an Bauernfamilien, auf dem sie Tabak anbauen sollen. Auf Kredit erhalten sie die notwendigen Betriebs- und Nahrungsmittel. Dafür sind sie verpflichtet, die gesamte Tabakernte an die Plantagenbesitzer*innen zu verkaufen. Was dann am Ende übrig bleibt, ist meist zu wenig um zu überleben. Aus diesem Grund sind Familien auf die Arbeitskraft ihrer Kinder angewiesen, dann können sie größere Mengen Tabak produzieren und das Auskommen der Familie halbwegs sichern.2

Bereits Kinder ab fünf Jahren graben Felder um, fällen Bäume, düngen und sprühen Pestizide ohne entsprechende Schutzkleidung. Wenn die Haut mit Tabakblättern in Berührung kommt, wird Nikotin aufgenommen. Auf diese Art und Weise nimmt ein*e Kinderarbeiter*in auf einer Tabakplantage pro Tag durchschnittlich 54mg Nikotin auf – das ist so viel wie in 50 Zigaretten enthalten ist. Immer wieder leiden jene Kinder unter Symptomen der sogenannten „grünen Tabakkrankheit“: Fieber, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Atemnot, Hautausschläge und in weiterer Folge auch Leberschäden, Nervenerkrankungen und/oder Unfruchtbarkeit.1

„Eigentlich wollte ich Lehrerin werden“

Agnes Banda ist 22 Jahre alt und lebt und arbeitet auf einer Tabakplantage in der Nähe des Bezirks Kasungu in der malawischen Zentralregion. Sie hat mit 13 Jahren geheiratet und hat drei Kinder. Die Grundschule musste sie in der 7. Klasse abbrechen, weil ihre Familie es sich nicht mehr leisten konnte, sie zur Schule zu schicken. Dennoch gehört sie zu den vergleichsweise besser Gebildeten auf ihrer Plantage. Ihre Kolleg*innen gingen entweder gar nicht zur Schule, oder brachen zwischen der 3. und 6. Klasse ab. Banda sagt: „Ich wollte Lehrerin werden. Ich hätte es toll gefunden, anderen Menschen etwas beizubringen.” Um Lehrerin zu werden, hätte sie die Grund- und Sekundarschule (die Schulgeld kostet) abschließen müssen. Anschließend wäre sie auf ein Teachers‘ Training College gegangen, dessen Gebühren von der Regierung übernommen werden. Neben Tabak müssen die Pächter*innen für die*den Plantagenbesitzer*in zusätzlich Mais anbauen. Für denselben Mais müssen sie dann einen überhöhten Preis von 1000 Kwacha pro Eimer bezahlen (Marktpreis 750 Kwacha). Bandas Familie bekommt nur eine Mahlzeit am Tag, die aus Nsima (Maisbrei) und gekochten Kürbisblättern besteht. Es gibt weder Fleisch noch Bohnen oder nährstoffreiches Gemüse als Beilage. Auch die Kinder bekommen nur eine Mahlzeit am Tag. Trinkwasser holt Banda von einem unbefestigten Brunnen ein paar Kilometer von der Plantage entfernt. Die*der Plantagenbesitzer*in stellt kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung. Immerhin verteilt eine lokale Gesundheitsbehörde regelmäßig Chemikalien zur Wasser-Entkeimung auf den Plantagen in der Region.

Wenn jemand auf der Plantage krank wird, muss er*sie zum 7 Kilometer entfernten Krankenhaus laufen. Die*der Plantagenbesitzer*in stellt keinen Transport zur Verfügung und es fahren keine Busse auf dem Feldweg zur Plantage. Wie die meisten Tabakpächter*innen hat Banda keinen schriftlichen Vertrag mit der*dem Plantagenbesitzer*in. Im Jahr 2008 produzierte ihre Familie 9 Tabakballen (etwa 900 Kilogramm Tabak). Die Vereinbarung mit der*dem Plantagenbesitzer*in war, dass sie pro Tabakballen 5.000 Kwacha erhält. Die Familie dachte, der abgemachte Preis sei in Ordnung. Doch nach den Abzügen für Düngemittel, Saatgut, Pestizide, Plastikplanen für die Trockenschuppen und Essen erhielten sie nur 20.000 Kwacha. Diese Einnahmen sind weit unter der Armutsgrenze, die im Jahr 2008 bei etwa 28.000 Kwacha pro Kopf und Jahr lag, sogar wenn man einrechnet, dass hier schon die Essensausgaben der Familie teilweise gedeckt waren. Zum Vergleich: Als Primarschullehrerin würde Banda mindestens 15.000 Kwacha pro Monat verdienen. Banda beschreibt ihren Ehemann als Alkoholiker. Nachdem sie für ihre Arbeit auf der Plantage bezahlt wurden, teilen sie die Einnahmen durch zwei. Während Banda dann Kleidung, Essen und andere Dinge für ihre Kinder und sich kauft, gibt ihr Mann das Geld für Alkohol aus. Obwohl es in etwa drei Kilometern Entfernung eine Schule gibt, hat Banda Schwierigkeiten, ihre Kinder dorthin zu schicken. Sie wünscht sich, dass ihre Kinder die Schule abschließen, fürchtet aber, dass sie genauso wie sie selbst an der Armut scheitern.“ (Graen, 2014, S. 41-42).2

Tabak verletzt Kinderrechte
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Laut UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf Gesundheit, auf angemessene Lebensbedingungen, auf Bildung, auf Freizeit und auf Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung. Tabakanbau bedient sich oft der Kinderarbeit und verletzt dadurch diese Rechte.

Viele weitere Kinderrechte werden durch die Vermarktung von Tabakprodukten, welche gezielt auf Kinder und Jugendliche abzielen, sowie durch fehlenden Schutz vor Passivrauchen verletzt. Es wird geschätzt, dass mindestens 165.000 Kinder unter fünf Jahren weltweit jährlich durch Passivrauchen sterben.

Kinder haben ein Recht auf eine tabakfreie Welt. Sie müssen vor der Tabakindustrie geschützt werden; Tabakanbau darf keine Kinder ausbeuten! Eine rauchfreie Umgebung, die sie vor Passivrauchen schützt, sollte Normalität sein. Zudem sollen Kinder davor bewahrt werden, selbst mit dem Rauchen zu beginnen, bzw. sollten sie Zugang zu Entwöhnungshilfen erhalten, falls sie tabakabhängig geworden sind.3

Das Recht auf eine tabakfreie Welt – Wie umsetzen?

Wie eine tabakfreie Welt entstehen kann, findet sich in den Artikeln und Zielen der:

Hände zum Teamgruß unter freiem Himmel bei Sonne
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  • WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle (FCTC)
  • Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen
  • UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK)

Diese drei Instrumente ergänzen und verstärken sich gegenseitig, ihre Fortschritte werden laufend überprüft. So zeigt sich zum Beispiel bei einer Auswertung der regelmäßigen, obligatorischen Berichte der Vertragsstaaten des FCTC-Sekretariats der WHO, dass Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen in öffentlichen Räumen von 88 % der berichtenden Staaten eingeführt wurden. Ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung ist leider erst in 61 % der Staaten realisiert worden. Die Unterstützung von alternativen Einkommensmöglichkeiten für Tabakbäuerinnen und -bauern wird leider am wenigsten umgesetzt.3

Das Recht auf Gesundheit
Skizze einer Schwangeren im Seitenprofil, die ihren Bauch hält
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Durch Rauchen wird nahezu jedes Organ des Körpers geschädigt. Es ist der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krebs. Ebenso verursacht Passivrauchen viele zum Teil schwere Erkrankungen. Kinder sind durch Passivrauch besonders gefährdet. Sie haben eine höhere Atemfrequenz und ein weniger effizientes Entgiftungssystem. Passivrauch erhöht bei Säuglingen das Risiko von plötzlichem Kindstod. Bei Kindern steigert es das Risiko für Atemwegsbeschwerden und Infektionen der unteren Atemwege. Rauchen schwangere Frauen, wirkt sich dies negativ auf den Verlauf der Schwangerschaft und das Ungeborene aus, nachhaltige Schädigungen können eintreten.
Es wird geschätzt, dass mindestens 165.000 Kinder unter fünf Jahren weltweit jährlich aufgrund von Passivrauchen sterben.3

Influencer-Marketing und soziale Medien
würfel mit den logos der verschiedenen social media apps
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Werbekampagnen der Tabakindustrie zielen auf Jugendliche und andere besonders empfängliche Bevölkerungsgruppen ab. Dabei werden verschiedene Werbekanäle

(Plakate, Fernsehen, Sponsoring etc.) verwendet, wobei viele Länder inzwischen umfassende Verbote zu Werbung, Aktionen und Sponsoring für Tabak erlassen haben. Die Tabakindustrie verlagert daher ihre Strategie auf neue Marketingkanäle und nutzt verstärkt sozialen Medien und den Trend des Influencer-Marketings. So können Werbeverbote umgangen werden. Tabakunternehmen bezahlen junge Leute mit vielen Follower*innen für das Posten von Fotos, auf denen sie mit diversen Tabakprodukten zu sehen sind.3

 

1 Eichborn, S. (2020): Kinderarbeit im Tabakanbau. unfairtobacco.
Zugriff am 12.05.2021: https://unfairtobacco.org/kinderarbeit-im-tabakanbau/

2 Graen, L. (April 2014): Tabakproduktion in Afrika: Knebelverträge im Trend. Herausgeber: unfairtobacco.org, c/o Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLuE 21) e.V., Berlin.
Zugriff am 12.05.2021: https://unfairtobacco.org/wp-content/uploads/2017/06/Tabakproduktion-in-Afrika_klein.pdf

3 Unfairtobacco (2019): Kinderrechte und Tabakkontrolle. Das Recht auf eine tabakfreie Welt. Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) e. V., Berlin.
Zugriff am 10.5. 2021: https://unfairtobacco.org/wp-content/uploads/2019/11/Broschuere_Kinderrechte_DE.pdf